Es schien harmlos. Ich war ohnehin in Jerusalem und wollte bei der Gelegenheit einen zukünftigen Angehörigen meines Sohnes kennenlernen.
War ich darauf gefaßt, was geschah? Nein, überhaupt nicht.
Ich wußte nicht, wie es sein würde, im Duft der Jerusalemer Berge als erstes gefragt zu werden: "Was hat dein Vater im Krieg gemacht? Was deine Mutter? Was deine Großeltern?"
In mir pochte es. Seit der Kindheit hatte mich der Nationalsozialismus beschäftigt. Bewußt hatte ich ihn beruflich quasi zum Schwerpunkt meiner Arbeit gemacht, hatte Geschichten über Verfolgung und Rettung veröffentlicht. Ja, auch zur Geschichte meiner Familie hatte ich mit meiner Mutter das Buch "Frei - in zwei Diktaturen" geschrieben.
Und nun das. Ich fühlte mich, als hätte ich der Frage noch nie gegenübergestanden.
Es war etwas ganz anderes, Geschichten zu schreiben und herauszugeben. Oder mit dem Sohn an der Schwelle zum Eintritt einer Familie zu stehen, wo dies zur Eingangsfrage wird.
Was kann ich dafür, was meine Eltern und Großeltern getan haben?
Es ist nicht mein Verdienst, daß sie entschiedene Hitlergegner und Nazifresser gewesen waren.
Aber erleichtert bin ich doch, daß ich David hier die Frage entsprechend beantworten kann.
Innerlich zitternd denke ich: Was wäre geschehen, wenn nicht?!
Bert Lewyn wird plötzlich Gegenwart
Und dann erfahre ich die Geschichte von Bert Lewyn. Bert hatte in Berlin überlebt, in meiner Stadt. Bert lebte, wo damals meine Eltern und Großeltern wohnten, während er sich verstecken mußte.
Bert Lewyn gehört zur Familie, die David mit seinen prüfenden Fragen schützen will und die nun auch die meines Sohnes werden soll.
Unsere Vergangenheit - hier trifft sie mich direkt. Es ist die Gegenwart.
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