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AutorenbildDörthe Kähler

David erzählt von seinem Cousin Bert Lewyn (Teil 1)

Cousin Bert Lewyn
Bert Lewyn und Dov Lewin

Am Shabbatmittag durchqueren wir ein stilles Jerusalem, westwärts, um aufs Land zu kommen. David, auf dem Rücksitz, hält einen Packen Bücher und Schriften unter dem Arm. Wir wollen einander kennenlernen. Wir sind die ersten Deutschen, mit denen David vorhat, zu sprechen.


Irgendwann, während wir im Baumschatten zu Tisch sitzen, beginnt David von Bert, seinem Cousin, zu reden. 1949 hatte er Bert nach Atlanta und damit in die Familie von Rabbi Geffen kommen sehen, da war David ein Teenager und Bert Mitte zwanzig. Berts Großtante und Großonkel Geffen - Davids Großeltern - hatten jahrelang in Europa nach Überlebenden der Familie gesucht - und den Großneffen gefunden. Berts Vater und Mutter lebten nicht mehr, ermordet wie nahezu alle. Bert aber lebte.

Er hatte es geschafft, im Hitler-Berlin, plötzlich allein, plötzlich Waise. Drei lange Jahre, hunderte Tage Angst, Verfolgung, Hunger. 1942-1945.

"Es war ein Wunder!", sagt David und schaut mich direkt an.


David und Bert lebten in Atlanta, in einer Familie, die eng miteinander war. Auf dem Foto mit Berts kleiner Hochzeitsgesellschaft kniet David vor dem Paar. David sagt: Vielleicht war ich es, der ihn am meisten verstand, der sich am ehesten vorstellen konnte, was er durchgemacht hatte.


Noch einer aus der Familie hatte überlebt - ein weiterer Cousin, der, als die Verfolgung nach Osteuropa kam, entrann: Dov. Dov Lewin wurde nach dem Krieg Israels Spezialist für osteuropäische jüdische Geschichte.


Dov also flog 1980 nach Atlanta, kaufte im nahegelegenen Laden Kassetten und begann, Bert, der seine Geschichte noch nie erzählt hatte, zu befragen. Dov sorgte dafür, daß ein Grundstein gelegt wurde, daß die Erinnerung bei einem, der nur überleben, der nur leben wollte, erwachen konnte. Und bewahrt werden konnte.- Viel später wurde Berts Buch daraus: bekannt und viel gelesen.


Die Stunden am Tisch unter dem Baum verfliegen und wir merken es nicht.

Während David mich mit seinen Worten zu Bert führt, denke ich an die Geschichten, die ich in den letzten Jahren gehört, aufgeschrieben oder herausgegeben habe: Jüdische Geschichten. Eva, Marianne, Rhea, Renée, Charlotte, Salunca und Yvonne. Auch die Erzählung "Hinter dem Schweigen" gehört dazu. Aber Rhea und Marianne! Ich sehe sie, noch während ich David lausche, innerlich bei Bert stehen… Auch diese beiden - die eine als Kleinkind, die andere als Grundschulkind - hatten in Berlin überlebt… Wir haben es in ihren Büchern dokumentiert: "Marianne. Eine wahre Geschichte." und: "Das Kind im Park".

Und nun kam Bert Lewyn, "Versteckt in Berlin", zu mir.



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